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Sätze, die chronisch Erkrankte nicht mehr hören wollen

Erstaunlich viele Menschen haben chronische Krankheiten. Eine der häufigsten: Allergien. Noch erstaunlicher ist, dass die meisten davon unsichtbare Krankheiten sind, wie z. B. Kopfschmerzen, Lungenerkrankungen oder Diabetes. Auch junge und vermeintlich fitte Menschen werden krank, und die meisten dieser Krankheiten sieht man einem von außen nicht an. Wir chronisch Erkrankten tragen meist keinen Gips.

Glaubt mir, wenn ein Gipshelm gegen Migräne helfen würde, würde ich ihn tragen.

Aber am erstaunlichsten ist, dass die meisten Menschen mit vermeintlich nett gemeinten Sätzen und ungefragten Ratschlägen daherkommen. Daher hier…

Vier Sätze, die ihr einem chronisch Erkrankten ab sofort bitte nicht mehr sagt:

Echt? Das sieht man dir gar nicht an!
Problematisch weil…? Naja, wie sieht das richtige, angemessene „krank“ deiner Meinung nach denn aus? Dann gebe ich mir nächstes Mal mehr Mühe, deinen Erwartungen entsprechend auszusehen. Soll heißen, es gibt chronisch Erkrankten das Gefühl, unehrlich zu sein, als wäre man eben gar nicht krank (genug).

Hast du schon mal [Yoga/Kohldiät/reduziertes Wasser/nur durchs linke Nasenloch atmen…] probiert?
Was daran verkehrt ist? Wenn du keine chronische Krankheit hast, kannst du noch so empathisch sein: du wirst nie verstehen, wie es ist, jahrelang und teilweise ein Leben lang mit einer zu leben. Die Chancen, dass ich als chronisch Kranke*r bereits ALLES, was du dir vorstellen kannst und alles, von dem du noch nie gehört hast, mehrfach ausprobiert habe, sind sehr hoch.
An dieser Stelle kommt häufig ein „ich meins doch nur gut“. Hilfreich ist es, wenn wertvolle Inhalte kommen. Gerade CFS/ME ist eine Krankheit, von der die meisten ausgebildeten Ärzt*innen noch nichts gehört haben. Wieso solltest dann ausgerechnet du wissen, was helfen könnte, nur „weil du auch schon mal so müde warst“?
Der Satz „Hast du schon mal xy probiert?“ führt daher einfach nur zu noch mehr Frust auf Seite der Erkrankten, denn entweder bringt es sie in Erklärungsnot, warum das von dir Erwähnte leider Humbug ist, oder es kostet wertvolle Zeit, höflich zuzuhören, wenn es doch keinen Mehrwert liefert.

Der Schwager meiner Cousine hatte das auch!
Wenn du jemanden WIRKLICH GUT KENNST, aus dem nächsten Umfeld, dann könnte dies eine wertvolle Information sein. Falls du nur mal von jemandem über drei Ecken gehört oder gelesen hast, die*der ein ähnliches Symptom wie eines meiner Symptome hatte, dann ist das absolut wertlos #sorrynotsorry.

Du musst nur positiv denken und härter kämpfen!“
Dieser Satz trifft gleich doppelt: er impliziert, die erkrankte Person wäre nur zu faul, sich mehr Mühe zu geben und mehr anzustrengen. Er suggeriert, der einzige Grund dafür, dass jemand vermeintlich „inaktiv“ ggü. der Krankheit ist, wäre eine Null-Bock-Einstellung.
Das ist nicht wahr. Wenn du bis hierhin gekommen bist und den Rest noch nicht gelesen hast, rate ich, dich mit Floschs hier beschriebenem Status auseinander zu setzen. Weitgehend inaktiv zu sein und seine Energie strikt einzuteilen (sog. Pacing) ist häufig die einzig effektive Vorgehensweise gegen CFS – zumindest für schweres CFS, also unterhalb Bell Skala 20.
Außerdem verharmlost dieser Satz die Krankheit und ihre Symptome, als hätte man einfach nur nicht genug Motivation, sich das Leben schöner zu denken, und als würde man gern leiden, der Aufmerksamkeit willen.

Was kann ich als Freund*in also stattdessen tun?

Schön, dass du fragst! Ganz einfach:
1. Zuhören, denn manchmal will man sich einfach nur auskotzen.
2. Die Grenzen deiner chronisch erkrankten Freund*innen respektieren.
3. Wahrnehmen, dass er*sie aus mehr besteht, als nur einer Diagnose.
4. Vergeben – denn das Leben mit Krankheiten macht einem sehr häufig einen Strich durch die Rechnung, und man kann nichts dafür.

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